Kraftvoll und laut tönt die Stimme des Propheten Micha: „Auf, kommt zusammen! Recht sprechen wird Gott über viele Nationen“.
Micha rief diese Worte vor 2700 Jahren einem zerrütteten Land zu. Nach innen war es kaputt durch Misswirtschaft und korrupte Regierungen. Von außen stand eine Belagerung, ein Krieg vor der Tür. Jeder gegen jeden. Ich zuerst. Die Schwachen? Egal, sie haben sowieso keine Stimme.
Der Ruf des Propheten setzt die Gemeinschaft dagegen. Er richtet sich mit seinem Appell an keinen Einzelnen. „Ihr Völker“ ist die Anrede. Achtet Recht und Gerechtigkeit. Schützt die Armen. Denkt an die Schwachen, zuerst!“
Es ist kein Zufall, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen gegründet wurden. Die Erfahrung aus dem größten Krieg und menschlichen Versagen des 20. Jahrhunderts war der Aufruf zu gemeinsamem Einsatz für mehr Frieden und Gerechtigkeit. Pathetisch und zugleich drängend sind die ersten Worte in der Gründungs-charta vom Oktober 1945: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,…“ und dann werden die Aufgaben benannt: die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit.
75 Jahre Kriegsende, 75 Jahre Vereinte Nationen. Das Ziel des Weltfriedens liegt nach den 75 Jahren in weiter Ferne. Und in diesem besonderen Jahr 2020 mit der weltweiten Corona-Pandemie gibt es einen neuen Aufruf an die Völker. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, sagt: „Wir müssen die Krankheit des Krieges beenden und die Krankheit bekämpfen, die unsere Welt verwüstet. Es beginnt damit, dass wir die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort.“ Dann beschrieb er, welche Wirkungen Kriege haben: „Die Schwächsten – Frauen und Kinder, Menschen mit Behinderungen, Vertriebene zahlen den höchsten Preis…Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vom Krieg verwüsteten Ländern die Gesundheitssysteme zusammengebrochen sind. …Flüchtlinge und andere durch gewaltsame Konflikte vertriebene Personen sind doppelt gefährdet. Die Wut des Virus veranschaulicht den Irrsinn des Krieges.“
Umkehr zum Frieden. Das war der sehnlichste Wunsch des Micha. Umkehr zum Frieden wurde möglich mit dem Kriegsende am 8.Mai 1945. Umkehr zum Frieden bleibt ein Wunsch auch in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie. Die Worte dazu von António Guterres sind drängend: „Die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort!“ Beim Propheten Micha heißt das: „Sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“
„Abrüstung jetzt!“ sagt der Prophet. Verwendet die Ausgaben für Kriegsgerät für andere Zwecke. Die allen Menschen Brot bringen. Die dazu führen, dass „alle unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum.“ Welch ein üppiges Bild!
Was wäre „Abrüstung jetzt“ in Zeiten der Coronakrise, von der es ja heißt, dass sie uns Zustände beschert wie zuletzt am Ende eines Krieges. Abrüstung jetzt könnte heißen: Keine neuen Ausgaben für atomare Flugzeugträger. Wozu brauchen wir Atomwaffen, wenn wir noch nicht mal genügend Schutzkleidung gegen ein Virus haben? Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD sagte dazu: „Die Milliarden, die jetzt für ein Nachfolgemodell des Tornado-Kampfjets ausgegeben werden sollen, werden derzeit eigentlich dringend für die schlimmen Folgen der Corona-Pandemie benötigt. Und hier vor allem auch zur Beseitigung der weltweiten Ursachen für Konflikte und Kriege, die sich durch die Pandemie wahrscheinlich noch deutlich verschärfen werden.“
Micha, der große Friedensprophet der Bibel, hat eine Vision: „Alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken.“ Seit 75 Jahren dürfen wir in Deutschland in Frieden leben, „unter dem Weinstock wohnen…“ Setzen wir uns in Dankbarkeit und mit Engagement heute dafür ein, dass weltweit Menschen unter ihrem Feigenbaum leben können, - und niemand soll sie aufschrecken!
Dieser Ruf geht heute an unsere Gemeinschaft.