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Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges

08. Mai 2020

Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges in Europa vor 75 Jahren

Liebe Gemeinde !

Der 8. Mai 1945 gilt als offizielles Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“
Diesen Begriff prägte erstmals der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag 1985. Mehr als 60 Millionen Menschen starben, weite Teile Europas waren nach 1945 zerstört; das nationalsozialistische Deutschland hatte durch seinen Angriffs- und Vernichtungskrieg sowie die systematische Ermordung der europäischen Juden Tod und Leid in einem nicht gekannten Ausmaß in die ganze Welt gebracht. Das Wissen und die Erinnerung an diese Zeit gilt es wach zu halten, damit Faschismus in unserem Land keinen Nährboden findet und von Deutschland nie wieder ein Krieg ausgeht. Deshalb ist es wichtig, dass dem 8. Mai 1945 gedacht wird.

Bis heute hat der zweite Weltkrieg tiefgreifende Spuren hinterlassen. Manche von Ihnen und uns haben den Krieg und das Kriegsende bewusst erlebt – als Kind oder als junger Mensch, waren vielleicht sogar noch als Soldat eingezogen worden. Manche von uns sind groß geworden mit den Erzählungen der Erwachsenen oder deren Schweigen oder mit den Ängsten, die unbewusst in die nächsten Generationen getragen worden sind.

Zum Gedenken des 8. Mai 1945 - nach einem Entwurf von Sabine Müller-Langsdorf

8.Mai 1945. Wie war es, das Kriegsende? War dann Frieden?

„Da fing das Elend erst an: Ausgebombt, keine Wohnung, der Mann tot, das Kind allein, Schutt und Asche als Arbeit.“ sagte meine Oma, die Soldatenwitwe.

Mir sind Bilder im Kopf, Von den zerstörten Städten, Von den Flüchtlingstrecks. Geschichten von vergewaltigten Frauen und den Kindern, die im Schutt spielten. „War ein guter Spielplatz“ sagte mein Vater, das Kriegskind.

Kaum auszuhalten die Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern. Die ausgemergelten Menschen. So viel Bosheit und menschliches Vermögen, grausam und böse zu sein. Immer noch, immer wieder erfüllt mich das mit Scham.

„Ein Tag der Befreiung ist der 8.Mai, von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ sagte der alte Bundespräsident Richard von Weizäcker.

8.Mai 2020

Ich bin im Frieden aufgewachsen. Seit 75 Jahren kein Krieg in meinem Land. Dankbar bin ich. Und höre in den Nachrichten: Weltweit sind die Militärausgaben gestiegen Deutschland erhöht sie in diesem Jahr um 10 %, das sind fast 50 Milliarden US-Dollar. Und das im Jahr 2020. Mit einer Corona-Pandemie.

Sie trifft die Schwachen zuerst: Die Alten, die Hungernden.

António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, sagt: „Wir müssen die Krankheit des Krieges beenden und die Krankheit bekämpfen, die unsere Welt verwüstet. Es beginnt damit, dass wir die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort.“

Ein innerer Dialog in der Bibel

Psalm 121: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?

Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.

Der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit.

Mein Dialog mit Gott

Gott, ich komme zu dir. Deine Hilfe scheint mir so fern, wenn ich an die zerstörten Städte in Kriegen, an Konzentrationslager und Folterzellen, an das grausam boshafte Tun von uns Menschen denke.

Gott, ich komme zu dir. Ich kann meinen Kopf kaum heben. Immer wieder und immer noch Krieg und Bürgerkrieg. In Syrien, im Jemen, in Mali…

Immer noch Nationalismus und Rassismus in Kassel, Halle oder Hanau, auch in manchem Regierungssitz und Parlament.

Und jetzt gibt’s das Virus. Es wird zum Feind erklärt. Und doch: das Kriegführen geht weiter. Das Waffen kaufen. Die Ausgaben für den Tod.

Gott, ich komme zu dir mit meiner Angst. Ich sorge mich um den sozialen Frieden. Immer leiden die Schwächsten zuerst, im Krieg, in Coronazeiten.

Ich habe Angst um das Gefüge in der Welt. Dass es kippt. Vor Hunger, vor Arbeitslosigkeit. Vor Frust und Wut.

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?  Amen.

Eine prophetische Friedensstimme: Micha 4, 2-4

„Viele Völker werden gehen und sagen: „Auf! Wir wollen hinaufziehen zum Berg des Herrn und zum Haus von Jakobs Gott, dass wir in Gottes Wegen unterwiesen werden und auf Gottes Pfaden wandeln!“ Denn vom Zion geht Weisung aus und das Wort des Herrn von Jerusalem. Und Gott wird schlichten zwischen vielen Nationen und starken Völkern Recht sprechen bis in ferne Länder. Und sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen. Und alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken.“

Gedankenimpuls

Kraftvoll und laut tönt die Stimme des Propheten Micha: „Auf, kommt zusammen! Recht sprechen wird Gott über viele Nationen“.

Micha rief diese Worte vor 2700 Jahren einem zerrütteten Land zu. Nach innen war es kaputt durch Misswirtschaft und korrupte Regierungen. Von außen stand eine Belagerung, ein Krieg vor der Tür. Jeder gegen jeden. Ich zuerst. Die Schwachen? Egal, sie haben sowieso keine Stimme.

Der Ruf des Propheten setzt die Gemeinschaft dagegen. Er richtet sich mit seinem Appell an keinen Einzelnen. „Ihr Völker“ ist die Anrede. Achtet Recht und Gerechtigkeit. Schützt die Armen. Denkt an die Schwachen, zuerst!“

Es ist kein Zufall, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen gegründet wurden. Die Erfahrung aus dem größten Krieg und menschlichen Versagen des 20. Jahrhunderts war der Aufruf zu gemeinsamem Einsatz für mehr Frieden und Gerechtigkeit. Pathetisch und zugleich drängend sind die ersten Worte in der Gründungs-charta vom Oktober 1945: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,…“ und dann werden die Aufgaben benannt: die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit.

75 Jahre Kriegsende, 75 Jahre Vereinte Nationen. Das Ziel des Weltfriedens liegt nach den 75 Jahren in weiter Ferne. Und in diesem besonderen Jahr 2020 mit der weltweiten Corona-Pandemie gibt es einen neuen Aufruf an die Völker. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, sagt: „Wir müssen die Krankheit des Krieges beenden und die Krankheit bekämpfen, die unsere Welt verwüstet. Es beginnt damit, dass wir die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort.“ Dann beschrieb er, welche Wirkungen Kriege haben: „Die Schwächsten – Frauen und Kinder, Menschen mit Behinderungen, Vertriebene zahlen den höchsten Preis…Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vom Krieg verwüsteten Ländern die Gesundheitssysteme zusammengebrochen sind. …Flüchtlinge und andere durch gewaltsame Konflikte vertriebene Personen sind doppelt gefährdet. Die Wut des Virus veranschaulicht den Irrsinn des Krieges.“

Umkehr zum Frieden. Das war der sehnlichste Wunsch des Micha. Umkehr zum Frieden wurde möglich mit dem Kriegsende am 8.Mai 1945. Umkehr zum Frieden bleibt ein Wunsch auch in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie. Die Worte dazu von António Guterres sind drängend: „Die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort!“ Beim Propheten Micha heißt das: „Sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscharen und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“

„Abrüstung jetzt!“ sagt der Prophet. Verwendet die Ausgaben für Kriegsgerät für andere Zwecke. Die allen Menschen Brot bringen. Die dazu führen, dass „alle unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum.“ Welch ein üppiges Bild!

Was wäre „Abrüstung jetzt“ in Zeiten der Coronakrise, von der es ja heißt, dass sie uns Zustände beschert wie zuletzt am Ende eines Krieges. Abrüstung jetzt könnte heißen: Keine neuen Ausgaben für atomare Flugzeugträger. Wozu brauchen wir Atomwaffen, wenn wir noch nicht mal genügend Schutzkleidung gegen ein Virus haben? Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD sagte dazu: „Die Milliarden, die jetzt für ein Nachfolgemodell des Tornado-Kampfjets ausgegeben werden sollen, werden derzeit eigentlich dringend für die schlimmen Folgen der Corona-Pandemie benötigt. Und hier vor allem auch zur Beseitigung der weltweiten Ursachen für Konflikte und Kriege, die sich durch die Pandemie wahrscheinlich noch deutlich verschärfen werden.“

Micha, der große Friedensprophet der Bibel, hat eine Vision: „Alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken.“ Seit 75 Jahren dürfen wir in Deutschland in Frieden leben, „unter dem Weinstock wohnen…“ Setzen wir uns in Dankbarkeit und mit Engagement heute dafür ein, dass weltweit Menschen unter ihrem Feigenbaum leben können, - und niemand soll sie aufschrecken!

Dieser Ruf geht heute an unsere Gemeinschaft.

Möge Gott uns dazu verhelfen und stärken. Amen.