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Sonntagsandacht zeitgleich 12.07.2020

11. Juli 2020

Von Diakonin Sandra Heiting

5. So. nach Trinitatis, 12. Juli 2020, 10 Uhr

Eine Kerze wird angezündet.

Die Glocken läuten und rufen zum Gebet.

Einstimmung

Liebe Gemeinde, heute Morgen geht es um Ratlosigkeit und Orientierungssuche, um Vertrauen und neue (Lebens-)Wege. Davon mutig zu sein und loszulassen, den Sprung ins Ungewisse zu wagen. Viele von uns haben das in den letzten Wochen getan: Ihren Alltag umgekrempelt, gelernt mit den Anforderungen der “Corona-Pandemie“ zu leben, das Ungewisse in ihr Leben eingebaut.

Einer hat uns auf unseren Wegen begleitet in dessen Namen wir miteinander verbunden sind - in der Lukaskirche und mit Menschen an anderen Orten, die jetzt vor Gott zusammenkommen. Gemeinsam feiern wir diese Andacht im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit Worten aus Psalm 27:

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang. Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes. Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich! Denn du bist meine Hilfe; verlass´ mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil. Herr, weise mir deinen Weg. Amen.

Herr, weise mir deinen Weg - doch welcher Weg ist das? Wohin führt mich mein Lebensweg? Manchmal weiß ich nicht, wo ich abbiegen muss, wohin ich gehen soll. Dann ist gut zu wissen: Ich bin nicht allein. Im Gesangbuch gibt es ein Lied, das von neuen Wegen erzählt:

Wir singen das Lied: „Vertraut den neuen Wegen“, EG 395, 1

  1. Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmelstand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.

Text: Klaus Peter Hertzsch / Musik: nach EG Nr. 243 Lob Gott getrost mit singen

Verkündigungsimpuls mit biblischer Lesung

Liebe Gemeinde, ich möchte Ihnen von einer Alltagssituation erzählen, wie sie sich angesichts der Corona-Pandemie ereignet haben könnte. Eine Frau, nennen wir sie Andrea, erlebt wie sich ihr gewohnter Alltag plötzlich verändert. Entstanden ist Andreas Geschichte aus unterschiedlichen Erzählungen, Gesprächen und Begegnungen, die ich während dieser Zeit mit Menschen am Telefon, in den sozialen Medien oder mit entsprechendem Abstand auch “in echt“ hatte:

Die Nachrichten überschlagen sich: Corona-Infektionen steigen, das Virus breitet sich weiter aus. Zum ersten Mal hört Andrea das Wort „Lockdown“ im Autoradio. Kitas, Schulen sollen schließen, Besuche in Altenheimen, Krankenhäusern nicht mehr möglich sein, das öffentliche Leben wird heruntergefahren. Sie erschrickt, das kann doch nicht sein! Und sofort beginnt es in ihrem Kopf zu arbeiten: Wohin mit den Kindern, wenn sie arbeiten oder einkaufen gehen muss? Ihre Mutter lebt im Altenheim, sie hat nächste Woche Geburtstag. Ihr Mann pendelt jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit, wie wird das gehen?  Einschränkung sozialer Kontakte, kein Sport, keine Kindergruppe, keine Restaurantbesuche - und was wird aus den teuren Konzertkarten? Zuhause angekommen schaltet sie den Fernseher ein und schaut die nächste Nachrichtensendung.

Aus dem Lukasevangelium im 5. Kapitel:

1 Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees von Genezareth. Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören.

2 Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze.

3 Er stieg in das eine, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu der Menschenmenge.

Fake News schießt es ihr durch den Kopf. Das kann doch alles nicht wahr sein! Lass´ den Nachrichtensprecher reden. Andrea setzt sich, atmet durch, schaut auf ihr Handy: 185 Nachrichten in der Klassen-WhatsApp-Gruppe ihres Sohnes. Sie liest nur die ersten Zeilen - und legt das Handy weg. Ein lähmendes Gefühl macht sich in ihr breit: Angst? Unsicherheit? Panik? Im Hintergrund hört sie den Nachrichtensprecher mit weiteren unglaublichen Berichten. Beim Blick aus dem Fenster wird ihr klar: Heute ist ein Tag, der alles verändert.

4 Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: »Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!«

5 Simon erwiderte: »Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.«

Plötzlich hat sie das Gefühl, ihr wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Mittlerweile sind es 216 WhatsApp-Nachrichten in der Klassengruppe und auch die Kita-Eltern-Gruppe ihrer Tochter postet fortwährend Neues. Eine Nachricht ploppt auf: „Lasst den Kopf nicht hängen, alles wird gut!“ Alles wird gut - das klingt heute in Andrea´s Ohren wie ein billiger Trostspruch.

6 Sie taten es und fingen so viele Fische, dass die Netze zu reißen drohten.

7 Sie mussten die Fischer im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beide Boote so überladen, dass sie fast untergingen.

Mittlerweile ist ein wenig Zeit vergangen. Sie hat sich etwas beruhigt, sich einen Becher Kaffee gekocht, den Fernseher leiser und das Handy auf lautlos gestellt. Dem ersten Schreck folgt ein Gefühl von „ich lass´ mich nicht unterkriegen“ und sie überlegt, was sie tun kann. Alles Mist, aber es geht mir und meiner Familie gut, wir sind gesund. Dafür ist Andrea dankbar. Auf dem Tisch liegt die Konfermappe ihres Sohnes. Die hat er mal wieder nicht weggeräumt. Sie nimmt die Mappe hoch, heraus fällt eine Postkarte mit einem Kompass. „Jesus - der Kurs fürs Leben“ steht in großen Buchstaben darauf. Gedankenverloren sagt sie zu sich selbst: Einen Kompass könnte ich jetzt auch gebrauchen, etwas, das mir den Weg durch diese ungewisse Zeit zeigt, das mir Orientierung gibt.  Etwas, das mich neuen Mut und Lebenszuversicht fassen lässt.

8 Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und bat: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!«

9 Denn ihn und alle anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten.

10 So ging es auch denen aus dem anderen Boot, Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.

„Jesus - der Kurs fürs Leben“ - sie überlegt. Ihr eigener Konfirmandenunterricht ist schon einige Jahre her, der letzte Besuch in der Kirche auch. Jesus - sie erinnert sich an eine Erzählung aus der Bibel, „Menschen fischen“ - Jesus am See Genezareth, wie er seine ersten Jünger beruft. Es waren Fischer, deren Leben von einer Sekunde zur nächsten auf den Kopf gestellt wurde. Nicht durch eine unbekannte Krankheit, sondern durch die Begegnung mit Jesus.

Die Fischer kannten harte Arbeit, waren von den großen Anforderungen ihres Berufs geprägt. Ihr Alltag entsprechend organisiert. Enttäuschend die Fahrten, auf  denen sie keinen oder nur wenig Fisch fangen konnten. So wie an jenem Tag. Eigentlich waren sie müde und unzufrieden. Dann kommt Jesus und sagt, sie sollen noch einmal rausfahren, ihre Netze ein zweites Mal auswerfen. Sicherlich werden sie sich gefragt haben, warum? Muss das sein, nochmal der ganze Aufwand - wir werden doch eh nichts fangen, das haben wir schon oft genug erlebt.

Aber Simon Petrus, einer der Fischer, fasst Vertrauen zu Jesus. Er spürt, da steht ein besonderer Mensch vor ihm. Er überzeugt die anderen, die Netze werden ein zweites Mal ausgeworfen. Der unerwartet große Fang überwältigt ihn. Er und seine Kollegen stehen verwirrt, erstaunt, verwundert, ratlos, begeistert und in tiefer Demut da. Der Schatz der Erfahrung auf der einen - der Schatz des Vertrauens auf der anderen Seite.

Wir singen das Lied: „Vertraut den neuen Wegen“, EG 395, 2

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit! Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid. Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.

EG 395 Vertraut den neuen Wegen:  Text: Klaus Peter Hertzsch / Musik: nach EG Nr. 243 Lob Gott getrost mit singen

Jesus sagt: „Hab keine Angst“, weil er spürt, dass Angst macht, was neu und nicht vertraut ist.

Simon Petrus und die anderen Fischer waren mutig und vertrauten. Entgegen aller Gewohnheit stiegen sie erneut ins Boot, wagten damit eine Art “Sprung ins Ungewisse“. Das ist ja eine richtige Vertrauensgeschichte, denkt Andrea während sie auf ihrem Handy den Bibeltext sucht. Sie findet ihn und liest:

 »Jesus aber sagte zu Simon: »Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen!«

Andrea überlegt, liest noch einmal. Dieser Text ist wie ein Kompass: Vertrauen, Mut, Erfahrung - wir können von den Erfahrungen der Jünger lernen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen - Jesus wird damit zum Kurs fürs Leben, nicht nur für die Fischer und Simon Petrus, auch für sie selbst. Gerade heute empfindet Andrea das so. Im Fernsehen läuft der nächste Sonderbericht, Bilder von menschenleeren Straßen und geschlossenen Spielplätzen zeigen, dass ihre Alltagsroutine, alles worauf sie sich bisher verlassen konnte, kräftig durcheinander gewirbelt wird. Ungewohntes wartet auf sie - so wie damals auf Simon Petrus und die anderen Fischer.

11 Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten Jesus.

Andrea spürt, sie ist nicht allein. Jesus erzählte den Menschen von Gott, nahm sie mit auf seinen Weg. Diesen Menschen schenkte er Unterstützung und Orientierung.

Sie folgten ihm auf unbekannten Wegen, vertrauten auf seine Weisung und sein Wort, wagten den Aufbruch. Das veränderte sie. Nicht nur als Menschen, sondern auch ihre Sicht auf die Dinge, ihre Sicht auf das Leben. Veränderung geschieht in den Momenten, in denen Gott sich einmischt.

Im Vertrauen auf Gottes Beistand werden wir das hier überstehen, denkt Andrea und nimmt die Kompass-Postkarte in die Hand. Vielleicht gibt Gott mir Orientierung? Sie schaut auf die Postkarte. Die Kompassnadel lässt sich nicht beirren: Sie richtet sich immer nach Norden aus. Ihr ist es egal wo ich stehe, was ich mache, ob der Weg bequem oder anstrengend ist. Sie zeigt die richtige Richtung. Warum? Weil ein unsichtbares Magnetfeld unseren ganzen Planeten durchzieht. Wir können es nicht sehen, nicht fühlen, aber es ist da. Es gibt den Vögeln Orientierung, es schützt die Erde vor kosmischer Strahlung - so ist es mit Gott. Egal welche Umstände uns im Leben auffordern neu bzw. umzudenken:  

Für die Jünger die Frage, ob sie Jesus folgen, für Andrea die Entscheidung angesichts der heutigen Nachrichten nicht zu resignieren. Dabei hilft die Gewissheit: Gott legt seine schützende Hand über uns - wie das Magnetfeld, das unsere Welt trotz Corona unsichtbar durchzieht. Vertraute Wege verlassen - das ist die Aufgabe, der Andrea sich jetzt stellen wird. Zuversichtlich und mit Gott an ihrer Seite…

Mit Gott an unserer Seite: In diesem Vertrauen sind wir unterwegs auf neuen Wegen. Richten wir unser Leben neu aus mit all den schönen und auch schmerzlichen Erfahrungen der letzten Wochen, die uns prägen.

Lassen wir uns nicht entmutigen, so wie die Fischer damals am See Genezareth. Wagen wir den Sprung ins Ungewisse, ins Unplanbare, lassen uns inspirieren von Überraschendem, von Gutem, das wir erleben, von Herausforderungen, denen wir uns stellen, von Begegnungen und Zuversicht. Genießen wir die schönen Momente und bewahren sie im Herzen. Vertrauen wir den neuen Wegen, die unser Leben nimmt.

So wie es im Lied heißt: Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit. Gott selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit,

die Tore stehen offen, das Land ist hell und weit. Gott ist mit uns unterwegs, kann uns Kompass und Kursgeber sein, gerade wenn wir befürchten den Weg aus den Augen zu verlieren. Amen.

Wir singen das Lied: „Vertraut den neuen Wegen“, EG 395, 3

Vertraut den neuen Wegen auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen, die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.

Text: Klaus Peter Hertzsch / Musik: nach EG Nr. 243 Lob Gott getrost mit singen

Fürbitten und Vater Unser

Gott, du gibst uns unsere Zeit, mit allen Höhen und Tiefen, mit Freude und Herausforderungen. Du füllst unsere Zeit mit Leben. Wir bitten dich:

Wir bitten dich: Sei mit uns auf dem Weg. Gott, wir bitten dich für alle, die schwere Wege gehen müssen. Sei du fest an ihrer Seite, begleite sie, schenk ihnen Aussicht auf Gutes. Gemeinsam bitten wir dich:

Wir bitten dich: Sei mit uns auf dem Weg. Gott, wir bitten dich für uns, sei bei uns in dieser Zeit. Zeige uns einen Weg, wenn wir nicht weiter wissen. Sei mit uns, wenn wir neue Wege entdecken und in eine Zukunft aufbrechen, von der wir nicht so genau wissen, wo sie hinführt. Wir bitten dich:

Wir bitten dich:  Sei mit uns auf dem Weg. Gott, sei mit uns auf dem Weg - in der Stille vertrauen wir dir an, was uns bewegt und woran wir denken…  - STILLE - Gott, sei mit uns auf dem Weg, wohin wir auch gehen. Begleite und stärke uns. Mit Jesu Worten beten wir gemeinsam:

Vater unser im Himmel

Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.  Amen

Segenswunsch

Wohin du auch gehst: Gott gehe mit dir, Gott behüte dich, leite und begleite dich - und sei für dich ein Segen. Amen.

Einen gesegneten Sonntag!