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Gottesdienst zeitgleich 29.03.2020

29. März 2020

Nach einem Entwurf aus dem Michaeliskloster

Sonntag Judika / 29. März 2020 / 10 Uhr

 

  • Glocken läuten in Ochtersum
  • Eine Kerze wird entzündet

Wir singen das Lied: "Und ein neuer Morgen" (Liederbuch freiTöne Nr. 15)

Einstimmung

Es ist der fünfte Sonntag der Passionszeit. Judika, auf Deutsch: Schaffe mir Recht. Der Ruf klingt drängend und ungeduldig.

Das Drängen verstehe ich gut. Aber im Moment brauchen wir viel Geduld, damit wir endlich, hoffentlich bald, wieder zu unserem Recht kommen, uns unbefangen versammeln und treffen zu dürfen. Damit wir uns endlich auch wieder umarmen oder mit Handschlag begrüßen können.

„Geduld ist für den Geist das Schwerste. Es ist das Schwerste und das Einzige, was zu lernen sich lohnt.

Alle Natur, alles Wachstum, aller Friede, alles Gedeihen und Schöne in der Welt beruht auf Geduld, braucht Zeit, braucht Stille, braucht Vertrauen.“ (Hermann Hesse)

In diesem Sinn sind wir versammelt. Um uns zu stärken, unsere Geduld zu kräftigen, unser Vertrauen und unseren Glauben. An unterschiedlichen Orten. Zur gleichen Zeit. Einander in Gedanken und Gebet verbunden.

Wir feiern in Gottes Namen. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Gebet zur Einkehr und zur Verbundenheit miteinander an verschiedenen Orten

Gott. Ich bin hier. Und Du bist hier. Ich bete zu Dir. Und weiß: ich bin verbunden. Mit Dir. Mit anderen, die zu Dir beten. Genau jetzt. Genau so. Bei dir kommen wir alle zu unserem Recht. Wo immer wir auch gerade  sind. Du siehst uns. Du hörst uns. Von überall bringen wir Dir alles, was ist:     Stille

  Höre auf unser Gebet. Amen

Evangelium des Tages: Markus 10, 35-45

Einleitung: Im Auto oder im Flugzeug ist oft die Frage, wer darf vorne sitzen und wer bekommt den Fensterplatz? Für Kinder ist das ganz wichtig. Ich darf vorne sitzen, heißt, ich bin schon groß genug! Wer am Fenster sitzt, hat die ungetrübte Aussicht, den direkten Blick über die Erde oder in den Himmel.

Auch die Jünger suchen ihren Platz – bei Jesus, wenn er einst im Himmel sein wird. Aber ob er ihnen einen „Fensterplatz“, ganz vorn bei sich vorgesehen hat? Im Evangelium nach Markus ist das Gespräch so aufgeschrieben:          

35 Jakobus und Johannes, die Söhne von Zebedäus, traten nahe an Jesus heran und sagten zu ihm: »Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.« 36 Jesus fragte sie: »Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?« 37 Sie antworteten ihm: »Lass uns rechts und links neben dir sitzen, wenn du regieren wirst in deiner Herrlichkeit.« 38 Aber Jesus sagte zu ihnen: »Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet. Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?« 39 Sie antworteten ihm: »Das können wir.«

Da sagte Jesus zu ihnen: »Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. 40 Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.«

41 Die anderen zehn hörten das Gespräch mit an und ärgerten sich über Jakobus und Johannes. 42 Da rief Jesus auch sie näher herbei und sagte zu ihnen: »Ihr wisst: Die Herrscher der Völker unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und die Machthaber missbrauchen ihre Macht. 43 Aber bei euch darf das nicht so sein: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. 44 Und wer von euch der Erste sein will, soll der Sklave von allen sein.

45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für die vielen Menschen.« (Übersetzung: BasisBibel)

Evangelium zum Anhören, Übersetzung Lutherbibel 2017

Wir singen das Lied: "Holz auf Jesu Schulter" (Evangelisches Gesangbuch Nr. 97)

Verkündigungsimpuls

Der Wunsch nach Sicherheit ist groß. Das ist nicht erst in diesen Tagen so, in denen förmlich die ganze Welt durch ein Virus lahmgelegt wird.

Menschen, Künstler, Wissenschaftlicher befassen sich seit je her damit, uns Sicherheit zu vermitteln. Und der Wunsch danach ist groß. „Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint...Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas, das bleibt!“, sang die Gruppe Silbermond schon vor über 10 Jahren und sprach damit vielen Menschen aus dem Herzen.

Menschen tun auch viel für ihre Sicherheit: Versicherungen. Sicherheitssysteme im Auto oder am Haus. Testamente, damit auch nach dem Tod mit Sicherheit alles geregelt und willensgemäß verteilt wird.

Manche kaufen sich Land, denn die Erfahrung lehrt: Liebe vergeht – Hektar besteht. Andere legen ihr Geld in Stiftungen an. Letztlich alles, damit es irgendwas gibt, das bleibt!

Aber in einer Welt, in der nichts sicher scheint? So wie im Moment, im Bann von Corona? Was wird aus all diesen Sicherheiten? Wie ist das, wenn du plötzlich vor dem Nichts stehst? Abgebrannt? Todkrank? Allein?

Oder wie weiterhin bei all den Millionen Menschen auf der Flucht. Die Heimat verloren, gestrandet in der Fremde, schaukelnd auf den Weltmeeren. Wie zu allem Unglück noch so viele erschüttert durch das Erdbeben in Kroatien, in Zagreb.

Was bleibt ist ungewiss. Was kommt sind bange Zukunftsfragen. Wann ist der Spuk vorbei? Was wird werden?

Die beiden Jünger, die Jesus da ansprechen, er möchte ihnen einen Platz an seiner Seite gewähren – ich denke, sie suchten auch nach Sicherheit. Auch sie schauten bange in die Zukunft. In eine Zeit ohne Jesus. In die Zeit, wenn er nicht mehr da sein würde, sondern sagen wir: im Himmel.

Was würde dann aus ihnen? Wo würden sie bleiben?

Diese Frage kommt auf, wenn es schwerfällt, an Jesus zu glauben, weil er nicht zu greifen oder zu spüren ist. Da fühle ich mich den beiden Männern durchaus nahe im Moment.

Und dann lese ich dazu im Gegenüber einen Satz aus dem Hebräerbrief zum heutigen Sonntag. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Kapitel 13, 14).

Wer immer diesen Hebräerbrief geschrieben hat, wusste wie heute: Menschen sind ständig auf der Suche nach Sicherheit und wollen wissen, was wird. Womöglich spürte der Schreiber auch, dass die Gläubigen um ihn herum im Glauben müde wurden. Sie verloren immer mehr an Hoffnung und wandten sich ab. Dem setzt der Schreiber dieses Briefes seinen Glaubensmut dagegen.

Ja, es ist schwer, seine Hoffnung auf etwas zu setzen, das gegenwärtig noch unsichtbar ist. Komisch eigentlich: Mit der Angst fällt uns das viel leichter. Zum Beispiel jetzt bei der Angst vor dem Virus. Das sehen wir ja auch nicht. Wir kennen es kaum. Wir erleben nur seine Folgen.

Wie viel mehr sollten wir doch besser der Hoffnung vertrauen, die sich schon über Jahrhunderte hinweg bewährt hat. Auch ihre Folgen sind sichtbar. Wie oft haben wir das schon sehen können – mindestens im Rückblick, ganz oft auch in dem Moment. Hier und jetzt.

Christen glauben immer schon auf Zukunft hin.

Und das nicht aus Weltflucht – im Gegenteil. Aus dem Blick in die Zukunft holen wir uns die Kraft und den Mut für die Gegenwart. Darum suchen wir „das Zukünftige“; das, was uns von Gott durch Christus verheißen ist.

Der Publizist Matthias Horx hat dieser Tage einen hoch interessanten Text veröffentlicht. (www.horx.com) Er macht sich Gedanken darüber, wie wohl die Welt nach Corona aussehen wird. Dabei stellt er keine Pro-Gnose, sondern eher eine Re-Gnose. Er versetzt sich selbst in die Zukunft, sagen wir Herbst 2020. Dann stellt er sich vor, wie wird es sein, im Herbst 2020 zurückzublicken.

Für Matthias Horx steht fest: Die Welt, wie wir sie kennen, löst sich gerade auf. Doch seine „Re-Gnose“ lautet, dahinter füge sich bereits eine neue Welt zusammen. Gut möglich, dass dann alles anders sein wird, aber wir würden uns auch wundern und staunen – z.B. wie schnell sich plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewährten; wie scheinbar veraltete Kulturtechniken gleichzeitig eine Renaissance erlebten: man telefoniert wieder oder schreibt Briefe; selbst junge Leute gehen ausgiebig spazieren. Wir werden rückwärts staunen, wieviel Humor und Mitmenschlichkeit in dieser Zeit entstanden ist. Wir werden erleben, wie sich die Wirtschaft global und zugleich lokal neu aufstellt, ortsnahe Produktionen werden boomen. Vermögen spielt weniger eine Rolle als gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.

 „Von-Vorne-Szenarien“ nennt Matthias Horx diese Vorstellungen. Wer immer nur auf Zukunft schaut, was da auf ihn zukommt, der sieht häufig vor allem die Probleme, das Unbekannte und Unberechenbare. Aber in der Re-Gnose bekommen wir auch eine Idee von dem, was sich Gutes getan haben wird und was wir geschafft haben.

Es ist ein bisschen, wie vor einem Zahnarzttermin, schreibt Horx. Wenn ich den Termin vor mir habe, macht er schnell Angst oder Beklemmung. Wenn ich mir aber vorstelle, wie es ein wird, wenn ich die Behandlung erfolgreich hinter mich gebracht habe, dann löst das ganz andere, positive und ermutigende Gefühle aus. Statt Fassungslosigkeit und Angst entsteht aus dieser neuen Sicht eine innere Kraft, eine Art „Neu-Sein im Inneren“.

Genauso verstehe ich den Hebräerbrief! Der uns da schreibt, versucht sich in der Perspektive, die Jesus schon kennt, nämlich aus der Zukunft ins Heute zurück. Stell dir das mal vor!

Wie könnte das aussehen. Welche Bilder, Erinnerungen, Veränderungen sollen sich dann in deiner Rückschau zeigen.

 Auf der einen Seite Angst und Panik, Trauer und Verzweiflung, Abschied und Sorgen, Unsicherheit. In meinem Bild wird es die geben. Ich bin nicht frei davon. Aber im Herbst – und nicht erst dann – kann ich auf der anderen Seite auch die Bilder sehen, die von Glücksmomenten erzählen, von Staunen und Erleichterung. Ich werde sehen, wie da der geschlossenen Kirche zum Trotz tapfere Bläser sonntags um Zehn vor der Kirchentür posaunt haben; werde mich an das Glockenläuten erinnern jeden Abend um Neun. Ich kann die Tulpe vor mir sehen, die mir heute eine Kollegin ins Büro gebracht hat, in alle noch belebten Büros eine, einfach nur so. Werde im Ohr haben, wie der Nachbar beim Rasenmähen laut seine Lieblingsmusik aus dem Kopfhörer mitgegrölt hat und den Duft des frischen Rasens in die Nase kriegen. Kann mich erinnern, wie ich seit Ewigkeiten wieder mit meiner Freundin telefoniert (!) habe, statt immer nur Kurznachrichten zu schreiben. Werde erleben, wie erwachsene Kinder sich so regelmäßig wie noch nie verständigt haben, darüber, wie sie die Eltern möglichst unbeschadet durch diese Zeiten kriegen. Und werde hoffentlich genauso sagen können, es gab auch außerhalb meiner Familie wenigstens einen Menschen, der in dieser Zeit leichter atmen konnte, weil es mich gab. Ich möchte mich nicht hamsternd erleben und nicht hoffnungslos. Möchte lieber unter denen gefunden werden, die weiter singen und spielen, weiter beten und hoffen und weiter glauben – auf das Zukünftige hin.

 Jesus Christus, gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit, schon dieser Satz aus anderer Stelle im Hebräerbrief (Kapitel 13, Vers 8) hilft mir dabei. Erst recht die Geschichte Jesu, die sich hinter diesem Satz verbirgt. Die Krise, die er mit seinem Mensch-Sein durchlebt hat. Der „hölzerne Anfang“ – die Erfahrungen, die Menschen mit ihm zeitlebens gemacht haben – sein Ende am Kreuz. Für uns ist das wieder ein ganz neuer Anfang. Sein Tod eröffnet uns eine neue Zukunft. Das Kreuz, an dem Jesus starb, ist für Christen zum Lebenszeichen geworden. Das Lebenszeichen Gottes, von der Krippe bis zum Kreuz. Wer hätte das bei seiner Geburt gedacht.

 „Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story“, eine Erzählung, die weit in die Zukunft reicht, schreibt Matthias Horx am Ende seines Beitrags. Von der Krise, die Corona ausgelöst hat, wird man sich wahrscheinlich auch „ewig“ noch erzählen. Aber ob aus dieser Krise auch neue Lebens-Zeichen werden, liegt jetzt an uns. Aus Jesu Perspektive ist immer Hoffnung da. Weil Ende nicht Ende heißt. Aus Jesu Perspektive gibt es immer Zukunft und innere Kraft, auf diese Zukunft zuzugehen. Das ist gewissermaßen die „Re-Gnose des Glaubens“. Sich die Welt aus Jesu Perspektive vorzustellen und danach zu handeln, mutig und vertrauensvoll, mit seiner Hilfe. Das gibt uns Sicherheit. Auch in diesem Ausnahmezustand.  Amen.

Wir singen das Lied: "Erinnere uns" (Liederbuch freiTöne Nr. 92)

Fürbitten

Guter Gott, du bist groß. An deinem Herzen ist viel Platz. Alle haben wir einen guten Platz bei dir. Dafür danken wir dir sehr!

Darum bitten wir dich auch: (mit Worten von Lothar Zenetti)

Behüte, Herr, die ich dir anbefehle, die mir verbunden sind und mir verwandt. Erhalte sie gesund an Leib und Seele und führe sie mit deiner guten Hand.

Sie alle, dir mir ihr Vertrauen schenken und dir mir so viel Gutes schon getan. In Liebe will ich dankbar an sie denken, o Herr, nimm dich in Güte ihrer an.

Um manchen Menschen mache ich mir Sorgen und möcht´ ihm helfen, doch ich kann es nicht. Ich wünschte nur, er wär bei dir geborgen und fände aus dem Dunkel in dein Licht.

Du ließest mir so viele schon begegnen, so lang ich lebe, seit ich denken kann. Ich bitte dich, du wollest alle segnen, sei mir und ihnen immer zugetan.    -Stille-

Gott. Wir sind Deine Menschen. Wir sind miteinander verbunden. Wir beten zu Dir in allem, was ist. Beten zu Dir mit den Worten, die uns im Herzen wohnen:

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Wir singen das Lied: "Dieses Kreuz, vor dem wir stehen" (Liederbuch Freitöne Nr. 140)

Zum Segen öffnen wir die Hände und sprechen laut:

Gott segne uns und behüte uns. Gott lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen

Einen gesegneten Sonntag und eine behütete Woche!